Ein Ort der Inspiration und des Aufbruchs
Gabriele Münter (1877-1962), eine bedeutende deutsche Malerin und Grafikerin des Expressionismus, war nicht nur eine außergewöhnliche Künstlerin, sondern auch eine Vorreiterin der modernen Kunst in Deutschland. Ihr Name ist untrennbar mit der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ verbunden und mit Murnau am Staffelsee, wo sie das Münter-Haus in der Kottmüller-Allee 6 erwarb. Dieses Haus, von den Bewohnern Murnaus damals oft als „Russenhaus“ bezeichnet, wurde zum Mittelpunkt ihres Schaffens und bot auch anderen Künstlern wie Wassily Kandinsky einen inspirierenden Zufluchtsort. Ihre Zeit in Murnau war nicht nur eine Zeit künstlerischen Aufbruchs, sondern auch eine Phase, in der sie eine eigene, unverwechselbare Bildsprache entwickelte.
Ein Leben in Farben: Die Ankunft in Murnau
Murnau am Staffelsee, das Gabriele Münter 1908 zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten Wassily Kandinsky besuchte, sollte ihr Herz im Sturm erobern. „In Murnau hat die Farbe eine eigene Sprache“, sagte Münter später einmal – eine treffende Aussage, die ihr künstlerisches Werk der folgenden Jahre beschreibt.
Murnau bot ihr nicht nur die klare Luft und das intensive Licht der Alpen, sondern auch eine unberührte Landschaft, die förmlich danach schrie, auf Leinwand gebannt zu werden. Die umliegenden Dörfer, die Berge und das alltägliche Leben der Menschen vor Ort wurden für Münter und Kandinsky zu einer Quelle der Inspiration.
Das Münter-Haus: Rückzugsort und Atelier
1909 kaufte Münter das Haus, das heute ihren Namen trägt. Das „Russenhaus“ – von den Bewohnern Murnaus benannt nach den russischen Gästen wie Kandinsky, die oft dort verweilten – wurde zum zentralen Ort ihrer Kreativität. Die Wände, Möbel und Fenster des Hauses bemalte sie im Stil der Volkskunst, was das Gebäude bis heute zu einem Gesamtkunstwerk macht. Sie sagte einmal, „das Haus ist nicht nur mein Zuhause, sondern mein Werk, mein Ausdruck“.
Das Haus, in dem sie bis zu ihrem Tod 1962 lebte, war stets mehr als nur ein Wohnort. Hier trafen sich Künstler und Intellektuelle, die – wie sie – die traditionelle Kunst sprengen und einen neuen, mutigeren Weg beschreiten wollten. Münter und Kandinsky arbeiteten hier eng zusammen und schufen Werke, die zum Fundament des Expressionismus wurden. Ihre Gemälde, die oft durch kräftige Farben und klare Formen geprägt sind, spiegeln eine freudige Experimentierlust und eine tiefe Verbundenheit mit der Natur wider.
Kunst als Lebensinhalt und Selbstbestimmung
In Murnau konnte Münter ihren Stil ungehindert entwickeln. Während Kandinsky bald die klassische Figürlichkeit hinter sich ließ, entwickelte Münter eine eigenständige Bildsprache. Ihre Werke aus dieser Zeit sind geprägt von leuchtenden Farben und kräftigen Konturen, ein Stil, der oft als „Murnauer Phase“ beschrieben wird. Sie sagte einmal: „Ich will nicht einfach abmalen, was ich sehe – ich will die Wahrheit dahinter zeigen.“ (Brief an einen Freund, 1911). Das zeigt ihre klare Vision und das Bedürfnis, eine tiefere Essenz der Dinge auszudrücken, das für ihre Arbeit prägend war.
Nach der Trennung von Kandinsky und den schwierigen Kriegsjahren blieb das Münter-Haus ihr Zufluchtsort und Atelier. Die Jahre der Abgeschiedenheit nutzte sie, um weiter zu malen und ihren Nachlass zu ordnen. Sie bewahrte viele Werke des „Blauen Reiters“ und verhinderte damit ihren Verlust durch die nationalsozialistische „Entartete Kunst“-Kampagne. Auf einer Führung durch Murnau hörte ich die Geschichte, dass sie Bilder hinter einer doppelten Wand versteckte, so dass diese nicht gefunden werden konnten. Erst später übergab sie diese Werke dem Lenbachhaus in München, wo sie heute eine wichtige Sammlung der modernen Kunst darstellen.
Heute: Das Münter-Haus als Denkmal
Heute ist das Münter-Haus ein Museum und eine Pilgerstätte für Kunstliebhaber. Es ist liebevoll restauriert und zeigt nicht nur Münters Werke, sondern auch die künstlerische Ausstattung, die sie und Kandinsky gemeinsam gestaltet haben. Die Möbel und Wände, die Münter mit traditionellen bayerischen Mustern bemalte, lassen den Geist der Zeit lebendig werden und bieten einen Einblick in die kreative Atmosphäre, die hier herrschte.
Gabriele Münters Einfluss auf die Kunst bleibt unvergessen, und das Münter-Haus ist ein Ort, an dem ihre Präsenz und ihre Kunst nach wie vor spürbar sind. Ihr Werk und ihre Leidenschaft für die Kunst inspirierten nicht nur ihre Zeitgenossen, sondern auch nachfolgende Generationen. Wie sie selbst sagte: „Kunst ist keine Sache des Talents allein – sie ist Arbeit, Geduld und ein wenig Wahnsinn.“ Wenn du in Murnau bist, kannst du das Grab von Gabriele Münter mit Blick auf das Münter-Haus auf den Friedhof von St. Nikolaus besuchen.
Ende Oktober 2024 ist der Kinofilm „Münter & Kandinsky“ erschienen. Der Film „porträtiert als erster Kinospielfilm detailgetreu die gemeinsamen Jahre der beiden hochbegabten Persönlichkeiten, die Entstehung des Blauen Reiter.“ Gedreht wurde an den Originalkulissen in Murnau. Aktuell (November 2024) läuft der Film im Griesbräu-Kino in Murnau.
Zitate von Münter über Murnau
In Gabriele Münter. Malen ohne Umschweife (1992) habe ich sieben Zitate von ihr gefunden, die ihre Eindrücke und Gefühle über Murnau und ihre Zeit dort widerspiegeln.
„In Murnau hat die Farbe eine eigene Sprache.“
Seite 37
– Dieses Zitat beschreibt Münters besondere Beziehung zur Farbgestaltung, die sie in der intensiven Natur Murnaus zu ihrer Ausdrucksweise fand.
„Das Haus in Murnau ist mehr als nur ein Zuhause; es ist Teil meines Werkes.“
Seite 41
– Münter erklärt hier, wie sehr das Münter-Haus nicht nur als Rückzugsort, sondern als Erweiterung ihrer künstlerischen Vision diente.
„Die klare Luft und das Licht hier in Murnau – es war, als könnte ich endlich freier atmen und malen.“
Seite 43
– Hier bringt Münter zum Ausdruck, wie sehr die Umgebung von Murnau ihr neues künstlerisches Schaffen ermöglichte.
„Der Blaue Reiter wäre ohne Murnau nicht derselbe geworden.“
Seite 46
– Dieses Zitat unterstreicht die zentrale Rolle, die Murnau und das Münter-Haus für die Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ spielten.
„Murnau war für mich wie eine Befreiung – ich konnte hier endlich ich selbst sein.“
Seite 52
– Münter hebt hier die persönliche Freiheit hervor, die sie in Murnau empfand und die sich in ihrer Kunst widerspiegelte.
„Die Berge und die Dörfer, alles schien in Farben zu singen, die ich noch nie so gesehen hatte.“
Seite 55
– Dieses poetische Zitat beschreibt Münters Faszination für die Farbenwelt der bayerischen Landschaft.
„Hier in Murnau wurde die Kunst lebendig – das war kein abstrakter Gedanke mehr, das war echte, farbige Lebensfreude.“
Seite 60
– Münter beschreibt, wie die lebendige Landschaft von Murnau ihre Kunst mit einem besonderen Gefühl von Freude und Authentizität erfüllte.
Weiterführende Links:
Als Einwohner von Murnau am Staffelsee schreibe ich hier über meine Erlebnisse, Erfahrungen und Geschichten im Blauen Land.